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Feuriger Schwarzwaldbrauch

Teil vier der WALDRAUSCH-Kulturserie: Scheibenschlagen

 

Mit dem Schlagen von glühenden Holzscheiben sollen die Wintergeister vertrieben werden. An vielen Orten wird der jahrhundertealte alemannische Brauch wieder gepflegt. Teil vier der WALDRAUSCH-Kulturserie: Scheibenschlagen im Schwarzwald.

„Schiibi, Schiibo, wem soll die Schiibe go . . .“ – wer diesen Ruf einmal ­gehört hat, vergisst ihn nicht wieder. In einem Tal bei Emmendingen war es das erste Mal, als Schülerin ging es auf den Berg, eine lange Waldstraße hinauf. In der Nacht dann da oben auf der Lichtung zu stehen, am ­lodernden Feuer, ist aufregend. Die Jungs und Männer suchen sich eine der Holz­scheiben aus. Sie sind grob zurechtgesägt, eher noch viereckig denn rund, in der Mitte haben sie ein Loch. Die Scheibe wird auf eine lange Haselrute gesteckt, nicht zu fest und nicht zu locker, und im Feuer angekokelt, bis der dünnere Rand zu brennen ­beginnt.

Dann rasch hinüber zur Rampe und den Spruch volltönend ausrufen: „Schiibi, Schiibo, wem soll die Schiibe go? – Die Schiibe soll de’ Gina go . . .“ Dann gilt es, sie so weit hinaus zu schlagen wie irgend möglich. Je weiter sie fliegt, desto besser, denn die Scheibe soll Glück bringen im neuen Jahr – der Ausgerufenen, aber auch allen anderen: Mit dem Scheibenschlagen werden die Geister des Winters vertrieben.

Beim Aufstecken und Schlagen wird ein rechter Ehrgeiz entwickelt. Wer dicke Arme und Erfahrung hat, scheint im Vorteil. Es braucht Übung, bis die Scheiben hell aufglühend weit ins Tal hinunterfliegen. Da ist es gut, wenn Schnee gefallen ist und Wald und Wiesen feucht und satt daliegen. Manch einer scheitert kläglich beim Versuch, die Kunst nachzumachen. „Geht sie nicht, so gilt sie nicht . . .“ wird vorbeugend gesungen.

Die Kunst kann man mit dem gekonnten Schwingen eines Golfschlägers vergleichen: Wenn man es kann, sieht es ganz leicht aus. Wenn nicht, gerät der Ball nicht ins Fliegen, sondern hoppelt, wenn überhaupt, nur ein wenig davon.
Die Sprüche sind so vielfältig wie die Orte, an denen der alte alemannische Brauch gepflegt wird, der rund tausend Jahre alt oder noch älter ist. Bereits am 21. März 1090 setzte eine brennende Scheibe ein Nebengebäude des Klosters Lorsch in Brand, wie eine Urkunde berichtet. Ende des 18. Jahrhunderts wurde das Scheibenschlagen vielerorts von Kirchenkreisen verboten. Jedoch nicht wegen des Feuerschutzes, sondern aus religiösen Motiven, weiß Alois Krafczyk aus Haslach, der sich intensiv mit dem Brauch beschäftigt hat – und ihn vor genau 36 Jahren am historischen Ort, am „Schiebebühl“ im Haslacher Stadtteil Schnellingen, wieder belebt hat. Die Kirche sah die vermeintlich heidnischen Feuer- oder Lichtbräuche nicht allzu gern, meint er. Doch just die katholische Landjugend konnte er gewinnen, das Fest auszurichten.

Als Höhepunkt rollen die Burschen zuletzt ein großes glühendes Feuerrad, mit Stroh gestopft, ins Tal, erzählt Krafczyk. Dort wird allerdings erst am vierten Sonntag der Fastenzeit, dem „Lätere“, das Scheibenschlagen gefeiert.. Das sei ein wichtiger Tag an der Wende zum Frühling, so Krafczyk.

Eine Besonderheit bietet auch die Schwarzwaldgemeinde Bernau: Außer am Aschermittwoch treffen sich die Bernauer und ihre Gäste an jedem Abend der Fastnachtswoche an den Hängen über den Dörfern. Die Feuer werden in sieben der zehn Ortsteile entzündet, ein jugendlicher „Scheibenmeister“ ist dort jeweils verantwortlich. Ein aufwendiger Job, er muss im Sommer Holz sammeln, aufschichten, Schnee räumen im Winter – und jeden Abend das Feuer anzünden.

Meist findet das Scheibenschlagen am Wochenende nach dem Fastnachtstermin statt, „wie die alte Fasnet“, die ja immer hinterher kommt. Aus praktischen Gründen heutzutage meist am Samstag, damit das Fest ungetrübt ausgekostet werden kann, samt Feuerwache und Aufräumen am nächsten Tag. Zur gleichen Zeit brennen im Bregenzerwald die „Funken“. Im österreichischen Vinschgau in Südtirol ist der Brauch des Scheibenschlagens ebenso bekannt wie im Elsass.

Doch ob beim Scheibenschlagen oder beim Funken: Auch der Durst muss gelöscht werden. Und so bringen die Veranstalter meist Getränke und etwas zu essen mit auf den Berg, seien es eine Narrenzunft, die Bergfreunde im Münstertal oder die katholische Landjugend wie in Haslach. Deftiges wie Würstchen und Brot, aber auch „Schiibeküchle“, ein in Fett ausgebackener Hefekrapfen, schmecken an der frischen Luft doppelt gut.

Termine für das Scheibenschlagen
Samstag, 29. Februar: Schönau und Höchenschwand
Sonntag, 1. März: Todtnau

Samstag, 21. März: Haslach im Kinzigtal

 

                                                                                                                                                                                                         Fotos: (c) Hochschwarzwald Tourismus GmbH